DGNB-Version 2023: Neubau

Building Information Modeling (BIM)
5 min read

DGNB System, Version 2023: Gebäude Neubau

Nach einer intensiven Überarbeitungsphase, unter Einbeziehung zahlreicher Expertinnen und Experten aus der Bau- und Immobilienbranche, veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (kurz: DGNB) 2023 die neue Version ihres Zertifizierungssystems für Neubauten. Diese Version verspricht eine schlankere und bessere Anwendung ohne dabei Kompromisse bei den Nachhaltigkeitsanforderungen einzugehen. Die Anzahl der Bewertungskriterien wurde reduziert, neue Mindestanforderungen eingeführt und die Kompatibilität zu anderen Systemen, wie der EU-Taxonomie oder dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (kurz: QNG), verbessert.

Das DGNB System für Neubau, Version 2023

Doch was genau beinhalten diese Neuerungen? Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen und Anpassungen im neuen DGNB-System erläutert.

Ein schlankeres System

Eine der auffälligsten Änderungen ist die Reduktion der Kriterien. Während die frühere Version noch 37 Kriterien umfasste, wurden diese nun auf 29 reduziert. Durch die Zusammenlegung und Streichung einzelner Kriterien konnte das System gestrafft werden, während der inhaltliche Umfang erhalten bleibt.

 

DGNB 2013 System Criteria

 

Neue Gewichtung der Themenfelder

Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die angepasste Gewichtung der Themenfelder. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit – ökologische, ökonomische sowie soziokulturelle und – tragen nun jeweils zu 25 Prozent zur Gesamtbewertung bei, was eine Erhöhung von jeweils 2,5 Prozent im Vergleich zur Vorgängerversion bedeutet. Im Gegenzug wurden die Anteile der Technischen Qualität und der Prozessqualität auf jeweils zehn Prozent reduziert. Die Standortqualität bleibt unverändert bei fünf Prozent. Diese Änderungen verdeutlichen, dass die zentralen Aspekte einer ganzheitlichen, lebenszyklusorientierten Nachhaltigkeit im Fokus stehen.

 

Die drei Säulen der Nachhaltigkeit

 

Mindestanforderungen: Mehr Verbindlichkeit in der Nachhaltigkeit

Ein Kernstück der DGNB-Version 2023 sind die neuen Mindestanforderungen. Einige müssen erfüllt werden, um die höchste Auszeichnungsstufe Platin erreichen zu können, andere, um überhaupt zertifizierbar zu sein. Die verpflichtenden Kriterien decken wesentliche Aspekte der Nachhaltigkeit ab, die unabhängig vom Gebäudetyp erfüllt werden müssen. Zu den zentralen Mindestanforderungen zählen:

  • ENV1.1: Offenlegung der Lebenszyklusbilanzen und Gebäude, die nicht für einen netto-treibhausgasneutralen Betrieb ausgelegt sind, benötigen einen Klimaschutzfahrplan für den klimaneutralen Betrieb.
  • ENV1.3: Mindestens 50 % der dauerhaft eingebauten Hölzer oder Holzwerkstoffe müssen aus zertifiziert nachhaltig bewirtschafteten Quellen stammen.
  • ECO2.6: Alle Gebäude müssen eine „Grundresilienz“ gegenüber Klimarisiken aufweisen.
  • SOC1.2: Die Innenraumluftqualität muss Mindestanforderungen in Bezug auf die Raumluftkonzentration flüchtiger organischer Verbindungen erfüllen.
  • SOC2.1: Barrierefreiheit nach DGNB Mindestanforderung Qualitätsstufe (QS1) ist für alle Nutzungen (Haupt-, Neben- und untergeordnete Nutzungen) verpflichtend.
  • TEC1.6: Zirkuläre Aspekte müssen in Planung und Umsetzung berücksichtigt werden. Erforderlich ist eine Rückbauanleitung oder der Nachweis für eine Mindestpunktzahl von 20 aus insgesamt 100 möglichen Punkten im gesamten Kriterium.
  • PRO2.3: Es muss ein energetisches Monitoring-Konzept entwickelt werden.
  • SITE1.1: Eine Klimarisikoanalyse muss vorliegen.

Für Gebäude, die eine Platin-Zertifizierung anstreben, gelten zusätzlich strengere Anforderungen, insbesondere im Bereich der Lebenszyklusbilanzen, der Materialauswahl, der Innenraumluftqualität sowie des Umgangs mit Klimarisiken am Standort.

Erweiterung bestehender und Einführung neuer Kriterien für zukunftsfähige Gebäude

Neben der Straffung des Systems wurden einige Kriterien inhaltlich erweitert. Besonders relevante Anpassungen gab es in den Bereichen „Klimaschutz und Energie“ (vorher: „Ökobilanz des Gebäudes“), sowie „Zirkuläres Bauen“, (vorher: „Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit“). Darüber hinaus wurden auch die Kriterien für Barrierefreiheit, thermischen Komfort, Gebäudehüllenqualität, Mikrostandort und geordnete Inbetriebnahme weiterentwickelt.

  • ENV1.1 Klimaschutz und Energie: Eine lebenszyklusorientierte Planung zielt darauf ab, den Ausstoß von Treibhausgasen, den Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen eines Gebäudes über dessen gesamte Lebensdauer zu minimieren. Die Ökobilanz dient dabei weiterhin als zentrales Werkzeug, um durch Variantenvergleiche insbesondere die Treibhausgasemissionen (Global Warming Potential, kurz: GWP) zu optimieren. Andere Umwelteinwirkungen werden weiterhin betrachtet, jedoch separat bewertet. Darüber hinaus werden jetzt die Anforderungen des QNG in der Vorgehensweise berücksichtigt und sind damit vereinheitlicht. Positiv bewertet werden zudem die Ermittlung und Bereitstellung von Bilanzierungsergebnissen sowie der Vergleich mit festgelegten Benchmarks. Für Gebäude mit erhöhten Ambitionen werden neue Bonuspunkte angeboten, darunter der Erhalt von Bausubstanz, Optimierung gebäudeinduzierter Mobilität, das Unterschreiten des GWP um mehr als 50%, sowie die Verbesserung der CO2-Bilanz. Die Offenlegung der Lebenszyklusbilanzen oder die Erstellung eines Klimaschutzfahrplan ist außerdem jetzt eine Mindestanforderung.
  • TEC1.6 Zirkuläres Bauen: Das Kriterium wurde umfassend überarbeitet, um den sparsamen und effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen zu stärken, indem bereits geschaffene Werte wiederverwendet werden. Gebäude sollten als Rohstofflager betrachtet werden, um zirkuläre Bauweisen entsprechend umzusetzen. Die Bewertung beginnt daher in der neuen Version 2023 bereits vor der eigentlichen Bauaufgabe und unterscheidet dabei zwischen Gebäuden mit und ohne vorherigen Rückbau. Punkte werden für eine Zielfestlegung in der Konzeptionsphase, dem Einsatz zirkulärer Produkte, einer umfassenden Dokumentation über den neu eingeführten digitalen Gebäuderessourcenpass sowie für hohe „Zirkularitätsquoten“ vergeben. Zudem ist auch das Kriterium nun eine Mindestanforderung.

Im Bereich der ökonomischen Qualität wurden drei neue Kriterien eingeführt: „Wertstabilität und Anpassungsfähigkeit“, „Klimaresilienz“ sowie „Dokumentation“. Diese sollen zur Zukunftsfähigkeit der Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus beitragen.

  • ECO2.4 Wertstabilität und Anpassungsfähigkeit: Basis dieses Kriteriums ist die Analyse des Standortes in Bezug auf die jeweilige Nutzung. Dabei werden Objektqualität und Standortaspekte miteinander in Beziehung gesetzt. Anpassungsfähigkeit und ein hoher Nutzungsgrad sind hier außerdem entscheidend. Zudem fließen die EU-Taxonomie-Konformität und das Bewusstsein über zu erwartende Risiken in die Bewertung ein.
  • ECO2.6 Klimaresilienz: Das Ziel dieses Kriteriums besteht darin, Gebäude insbesondere im Kontext des Klimawandels widerstandsfähig gegenüber verschiedenen Umwelteinflüssen zu gestalten. Dahingehend wird bewertet, ob ein entsprechendes Konzept gemäß relevanter Klima- und Umweltrisiken wie zum Beispiel Hitze, Starkregen oder Hochwasser vorliegt. Zudem wird untersucht, wie umfassend und qualitativ die ermittelten Klimarisiken in Form von Maßnahmen adressiert werden sowie welche Strategien zur Minderung weiterer Umweltrisiken wie zum Beispiel Lärm, Luftqualität oder Radon implementiert wurden.
  • ECO2.7 Dokumentation: Ziel ist es, eine exakte digitale Bauplanung zu entwickeln, die den Bauprozess detailliert abbildet. Diese Planung dient als verlässliche Grundlage für die Nutzung, Betriebsplanung und den Rückbau des Gebäudes. Die Bewertung erfolgt anhand mehrerer Indikatoren, die die Qualität und Aktualität der digitalen Gebäudedaten im Einklang mit den BIM-Levels, die Erstellung eines FM-fähigen Gebäudeinformationsmodells sowie die Vollständigkeit des digitalen Gebäudezwillings umfassen, einschließlich der Informationen zum Rückbau.

Erleichterte Integration in bestehende Bewertungssysteme

Ein zentraler Aspekt der DGNB-Version 2023 ist die verbesserte Anschlussfähigkeit an andere Bewertungssysteme. Dies betrifft sowohl DGNB-Varianten für Gebäuderückbau und nachhaltige Baustellen als auch für Gebäude im Betrieb. So entfallen künftig für DGNB-zertifizierte Neubauten die Zertifizierungsgebühren bei der ersten Anwendung des DGNB-Systems für Gebäude im Betrieb.

Besonders hervorzuheben ist die bessere Kompatibilität der neuen DGNB-Version mit europäischen und nationalen Bewertungssystemen, wie der EU-Taxonomie, dem EU-Berichtsrahmen Level(s) und der QNG-Zertifizierung. Diese Integration erleichtert es Bauherren und Planern, Nachhaltigkeitsnachweise für verschiedene Zertifizierungssysteme zu erbringen, ohne doppelten Dokumentsaufwand. Wer beispielsweise eine ESG-Verifikation nach der EU-Taxonomie benötigt, kann diese nun im Rahmen der DGNB-Zertifizierung miterfüllen lassen.

Seit dem 1. Juli 2023 konnten Neubauten, Bestandsgebäude sowie Sanierungen gemäß der DGNB-Version 2023 angemeldet werden, wobei eine Übergangsfrist bis zum 30. November 2023 bestand.

Fazit

Die neue Version umfasst eine Reihe von Anpassungen und Weiterentwicklungen, die an den aktuellen Nachhaltigkeits- und Klimazielen ausgerichtet sind. Besonders deutlich wird dies in den Synergien mit der EU-Taxonomie, dem QNG und anderen Varianten der DGNB-Zertifizierung. Ein zentraler Punkt ist hier Integration der Anforderungen des QNG in die Ökobilanzberechnung. Die aktualisierten Kriterien setzen verstärkt auf Klimaresilienz und zirkuläres Bauen. Zusammen mit den zahlreichen neuen Mindestanforderungen stellen sie eine zentrale Änderung dar, die die langfristige Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit von Gebäuden sicherstellen sollen.