Von: Gregor Zink, Junioringenieur
Ich bin Junior-Ingenieur im Frankfurter Baumann-Büro und habe kürzlich meinen Master of Building Physics an der Universität Stuttgart in Deutschland erworben. Die einzigartigen Details des VAI-Campus-Projekts, auch als Eiermann-Campus bekannt, als Hommage an den Architekten der ersten Gebäude, inspirierten mich, es als Thema für meine Abschlussarbeit zu verwenden – den letzten Schritt zu meinem Master-Abschluss. Durch diesen gebäudeübergreifenden Aufwand konnte ich mehrere Schwerpunkte in meiner Diplomarbeit abdecken, wie z. B. bauphysikalische Sanierungskonzepte, Denkmalpflege und Energieeffizienz. In diesem Blog teile ich meine Beiträge zur Sanierung des VAI-Campus und die einzigartigen Herausforderungen und wichtigsten Erkenntnisse aus der Arbeit an diesem beeindruckenden Projekt.
Hintergrund des Projekts
Der VAI Campus Stuttgart befindet sich auf dem ehemaligen Campus der deutschen IBM-Zentrale im Stuttgarter Stadtteil Vaihingen. Das 181.000 m2 große Projekt besteht aus 28 Neubauten mit gemischter Nutzung und der Renovierung von vier markanten Bürogebäuden, die vom berühmten deutschen Architekten Egon Eiermann entworfen wurden. Das Projekt rechnet mit dem Spatenstich im Jahr 2021 und der Fertigstellung der Bauarbeiten bis 2026.
Faszinierend fand ich, dass der VAI-Campus darauf abzielt, seinen historischen Charakter zu bewahren und sich durch innovative Bau-, Energieversorgungs- und individuelle Mobilitätskonzepte nachhaltig und belastbar in den umgebenden urbanen Kontext zu integrieren, um ein klimaneutrales Stadtquartier zu entwickeln. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, wollte das Entwicklungs- und Designteam des VAI Campus ein ganzheitliches Campus-Designkonzept entwickeln, das klimaneutral und bei Netzausfällen völlig unabhängig vom bestehenden Stromnetz betrieben werden kann – keine leichte Aufgabe! Das Baumann-Team verfolgte einen systematischen Ansatz zur Entwicklung eines integrierten Gemeinschaftsenergiekonzepts, bestehend aus der Reduzierung des Energiebedarfs durch passive Strategien und der Entwicklung hochgradig vernetzter und effizienter Energieversorgungs- und -verteilungskonzepte in Kombination mit erneuerbaren Technologien. Wir haben die Konzepte hinsichtlich ihrer Energie- und CO2-Emissionsbilanz optimiert und die Einhaltung der deutschen Energieeffizienzstandards bei gleichzeitiger Erfüllung der strengen Auflagen der Denkmalpflege nachgewiesen.
Hauptaufgaben
Meine Rolle in diesem Projekt umfasste die Identifizierung passiver Strategien zur Fassadenoptimierung zur Reduzierung des Energiebedarfs aller bestehenden Gebäude. Diese Strategien zu entwickeln, ist bereits eine Herausforderung für jedes Neubauprojekt, stellt jedoch besondere Herausforderungen bei der Einbeziehung bestehender Gebäude dar, insbesondere bei solchen, die als historisch bedeutsam eingestuft wurden. Passive Strategien zur Optimierung des Energiebedarfs zu identifizieren, ist die Ausgangsaufgabe im Ladeauftrag. Es bildet die Grundlage für die Bewertung von Energieversorgungs- und -verteilungskonzepten in Kombination mit erneuerbaren Technologien zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität.
Im ersten Schritt ermittelte ich für alle vier Bestandsgebäude den aktuellen Fassadenzustand und die Performance durch Begutachtungen vor Ort und Literaturrecherche. Basierend auf dieser Bewertung erstellte ich ein digitales Gebäudemodell für die thermodynamische Simulation sowie die Standort- und Klimaanalyse mit Hilfe der Gebäudesimulation. Anschließend präsentierte ich die Ergebnisse dem Team, um sie über den Zustand der einzelnen Gebäude und ihre Auswirkungen auf Heiz- und Kühllasten, Energiebedarf und thermischen Komfort zu informieren.
Meine Recherche umfasste die Einstufung der Gebäude nach dem Denkmalschutzgesetz und die Anforderungen der Denkmalschutzbehörde.
Die Ergebnisse bildeten den Rahmen für die Entwicklung, Untersuchung und den Vergleich unterschiedlicher Sanierungsmaßnahmen für jedes Gebäude unter Berücksichtigung bauphysikalischer Randbedingungen mit Fokus auf die thermische Gebäudehülle. Die bestehenden von Eiermann entworfenen Gebäude haben auffällige, denkmalgeschützte Holzfensterrahmen – mit ineffizienten, alten Verglasungen. Während das Designteam keinen Austausch von Fenstern in Betracht zog, demonstrierte ich die Komfortverbesserungen, die Reduzierung des Energiebedarfs und die reduzierte Größe des HLK-Systems, die durch die Beibehaltung des vorhandenen Rahmens und die Aufrüstung der Verglasung erreicht wurden, und konnte das Team von der Aufrüstung überzeugen.
Um das Sanierungskonzept umsetzen zu können, muss es die energetischen Mindestanforderungen gemäß Energieeinsparverordnung erfüllen. Aus diesem Grund habe ich die Bewertung nach der Norm DIN V 18599 (Energetische Bewertung von Nichtwohngebäuden) durchgeführt und alle Gebäude haben das Energiesparzertifikat erhalten.
Die projektspezifischen Ergebnisse und Erkenntnisse der Masterarbeit habe ich in einen Leitfaden für die energetische Sanierung historischer Gebäude überführt, der auch den Einsatz einer thermodynamischen Gebäudesimulation beinhaltet.
Herausforderungen und Lessons Learned
Es war eine große Herausforderung, eine ordentliche Datengrundlage für die alten Bestandsgebäude zu schaffen. Dazu war es notwendig, die Gebäude vor Ort im Rahmen einer Bestandsaufnahme zu begutachten und es war auch sehr wichtig, weitere Informationen durch Recherche von Literatur und Bestandsunterlagen der Gebäude zu sammeln. Eine weitere Herausforderung war die realistische Darstellung des Gebäudes und seiner HLK-Anlagen innerhalb der Simulationssoftware aufgrund fehlender Informationen. Es war wichtig, die bestmöglichen Annahmen zu treffen, um echte Ergebnisse zu erzielen. Es hat sich gezeigt, dass die thermische Simulation eines Gebäudes auch ein nützliches Werkzeug für die Sanierung bestehender Gebäude ist. Dadurch können nicht nur die energetischen Wirkungen von Maßnahmen untersucht, sondern auch die thermische Behaglichkeit besser beurteilt werden.
Schlussworte
Der VAI Campus war aufgrund seiner Komplexität, Größe und Einzigartigkeit ein bemerkenswertes Projekt. Durch die Mitarbeit an diesem Projekt konnte ich eine Vielzahl von bauphysikalischen Prinzipien und Konzepten anwenden, die denen meines Studiums entsprachen. Mir hat sehr geholfen, dass ich von Anfang an in das Projektteam integriert war und immer Partner für den fachlichen Austausch hatte. Es war auch sehr spannend, die leerstehenden Gebäude direkt vor Ort zu studieren und zu recherchieren. Insgesamt war dies eine spannende Gelegenheit und ich bin sehr dankbar, dass Baumann mir erlaubt hat, meine Masterarbeit auf diesem unglaublichen Projekt aufzubauen.
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